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Schwerwiegende Poesie

Kulturmagazin Berlin | 17.12.2012

Von Petra Hornung | Die Skulpturen sind bis zu 12 Meter hoch, gefertigt und gebogen aus massiven Stahlrohren, mit Blüten und Blättern aus Spezialkunststoff. Allein eine Blüte wiegt 250 Kilo, ihr Stängel etwa eine halbe Tonne. Damit sich die „schwerwiegende Kunst“ auch trotz Fundamentierung mit der Gebäudestatik verträgt, mussten im Inneren Stahlträger eingebaut werden.

Die Berliner Immobilienentwickler spark::ling AG haben dieses Projekt ins Leben gerufen. Im Gespräch sagt der Vorstand Thomas Behrendt, dass es eine Reihe von Unwägbarkeiten und Auflagen gab, bürokratische Steine und Steinchen, die im Weg lagen. Und immer noch sind nicht alle Probleme beseitigt. Und doch – und gerade deswegen – sollte auf gar keinen Fall an der Kunst gespart werden, die übrigens nicht nur die Gebäudehülle betrifft, sondern auch im Innern ein „Zitaten- Déjà-vu“ aufweist, das eine Entdeckung wert ist.

Allen Unkenrufen zum Trotz – daraus folgt keine höhere Rendite, kein Umlegen der Kosten auf die Mieten. Was allerdings und zudem allemal der Rede wert ist, ist ein ebenso außergewöhnlich engagiertes wie originelles Vorhaben, das zunächst als vage Idee im Verborgenen entstand und nun wie unsere Riesenblumen solcherart Blüten treibt, wie das Blumenspendeprojekt der spark::ling AG. In Zeiten, in denen die Gewaltentrennung der Politik ihre Arbeitsaufgaben in Pflicht und Kür, in notwendige und freiwillige Aufgaben portioniert, und Kunst und Kultur ihre Kür auf zunehmend dünnem Eis absolvieren müssen, soll ein heilsames Denkzeichen gesetzt werden: Unter www.riesenblumen.de sind die Informationen zu finden, um Geld, auch in kleinerer Höhe, zu spenden. Sogar alle 10 Blumenskulpturen sollen einen Paten bekommen. Diese ehrwürdige Patenschaft kostet 1000 Euro pro Kunstwerk. Dafür wird der Spendername auf einer kleinen Metalltafel an seiner Blume verewigt sein.

Alle Spenden gehen zu 100 Prozent an vier gemeinnützige Kunstprojekte in Treptow-Köpenick, die mit dem Fachbereich Kultur des Bezirks und mit Vertreterinnen der Kommission „Kunst am Bau“ abgestimmt wurden: Figurentheater Grashüpfer, Lithowerkstatt, corbo-Bühne, Industriesalon Schöneweide. Die spark::ling AG geht mit gutem Beispiel voran, so dass jeder Spendenempfänger bereits mit 500 Euro gefördert werden konnte. Sicherlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, tatsächlich aber eine wirkliche Hilfe im Kampf ums Überleben und zudem eine wunderbare Geste, die am besten Schule machen sollte.

Der Berliner Projektentwickler möchte mit seinem Kunstwerk auch andere Künstlerinnen und Künstler im Bezirk unterstützen. Wie schön, dass der Bürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel, diese Initiative begrüßt und als Schirmherr unterstützt. Zu schultern sind solche Initiativen wohl nur mit einer Art Pionier-Mentalität, die dem üblichen harten marktwirtschaftlichen Getriebe eine Farbe, eine Illusion, eine Utopie gar, abtrotzen will. Mit Sicherheit steht dahinter eine wohl höchstpersönliche, unerschütterliche, weil freudvolle Grunderfahrung, die auf einer höheren Ebene nachhaltigen Gewinn bringt. Die Investition Immobilie, die hernach zu einem ganz besonderen Ort wird, zu erleben, wie Gleichförmigkeit von Trott und Alltag, lebendiger Kommunikation und Lebensqualität per se weicht, ist wohl allen Aufwand wert. Die Kindlein kommen und stehen staunend vor den Blumen.

Die Passanten – übrigens alle, die ich befragt habe – trauen zunächst ihren Augen nicht, finden aber fast ausschließlich zu freudiger Einschätzung, die im Stau Stehenden begrüßen den Blickfang. Aber natürlich ist eine Polarisierung der Bewertung naheliegend und von den Initiatoren ausdrücklich gewünscht. Dafür haben wir es schließlich mit Kunst zu tun und mit Demokratie.

Und zum Schluss ein Geheimnis, das ich ob seiner Unglaublichkeit einfach für mich behalten wollte. Aber da es nun weiß Gott jeden Zweifler in die Schranken weist und selbst die Investoren in Rührung und Entzücken versetzen wird, gebe ich es preis. Jedenfalls habe ich mich am Tag der Einweihung spätabends noch einmal an den Ort der Blumen begeben, um die Wirkung der illuminierten Blütenstände zu genießen. Das sah schön aus. Und je dunkler es wurde, umso deutlicher setzten sich die Lichtkreise ab, die letztlich wie zehn kleine Heiligenscheine an der Fassade leuchteten. Zuerst traute ich meinen Augen nicht, denn sämtliche Blumenskulpturen waren tatsächlich nicht mehr an Ort und Stelle. Ich sah gerade noch die Letzte entweichen, die Blätter umfunktioniert zu Flügeln, völlig geräuschlos durch die Luft gleitend. Am Tag aber bleiben uns die mildtätigen floralen Riesinnen in aller Arglosigkeit erhalten.

Mehr kann Kunst nun wirklich nicht leisten.